Episode 8: Wenn der Ball fliegt und das Baurecht landet - Golfplatz vs. Kita

Die Frage:

Kann ein Golfplatzbetreiber verhindern, dass ein benachbartes Grundstück – bisher landwirtschaftlich genutzt – künftig für eine Kindertagesstätte genutzt wird, wenn seine Abschläge gelegentlich daneben gehen?

 

Der Fall:

Ein Betreiber einer Golfübungsanlage war wenig begeistert, als die Gemeinde plante, das angrenzende Ackerland künftig als Gemeinbedarfsfläche, insbesondere für eine Kindertagesstätte, auszuweisen. Er sah das Wohl seiner Golfer auf den Abschlägen und wohl auch seine Haftpflichtversicherung in Gefahr: Was, wenn ein Ball danebengeht und statt das Fairway die Sandkiste trifft?Also klagte er gegen den Bebauungsplan . Doch vor Gericht bekam er statt eines Platzvorteils die rote Karte.

 

Juristische Einschätzung:

Das Oberverwaltungsgericht NRW machte in seinem Urteil vom 26.03.2021 (Az. 2 D 4/20.NE) deutlich, dass das Interesse eines Golfplatzbetreibers, seine Bälle weiterhin ohne Rücksicht auf neue Nachbarn übers Nachbargrundstück hinweg fliegen zu lassen, kein rechtlich beachtlicher Belang ist, der die Ausweisung eines Kita-Standorts verhindern könnte.

Leitsatz des Gerichts:

„Das Interesse eines Betreibers einer Golfübungsanlage, ein bisher als landwirtschaftliche Fläche ausgewiesenes und genutztes Nachbargrundstück ohne Rechtsgrundlage weiterhin mit fehlgeschlagenen Golfbällen beaufschlagen zu können, ist kein gewichtiger abwägungserheblicher Belang […].“

Im Rahmen der baurechtlich erforderlichen Abwägung der öffentlichen und privaten Belange nach § 1 Abs.7 BauGB hatte die Gemeinde bereits alle Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen.

§ 1 Abs.7 BauGB Aufgabe, Begriffe und Grundsätze der Bauleitplanung

Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.

Ein Abwägungsfehler ergab sich im vorliegenden Fall nicht. Der Golfclub hat keinen Anspruch darauf, dass in einem Bebauungsplan einmal getroffene Festsetzungen für alle Zeit und alle Grundstücke beibehalten werden. Auch steht dem Golfclub kein Recht zu, beim Betrieb der Anlage das Plangebiet mitzunutzen, indem dort mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder zumindest Wahrscheinlichkeit Golfbälle landen. Hierbei würde es sich vielmehr um eine Eigentumsbeeinträchtigung handeln, die die Eigentümer angrenzender Flächen niemals hinzunehmen hätten.

 

Im Gegenteil: Die ursprünglich für den Golfplatz erteilte Baugenehmigung enthielt bereits eine Nebenbestimmung, die für den Fall einer späteren Bebauung des Nachbargrundstücks ausdrücklich die Möglichkeit vorsah, Auflagen wie Ballfangzäune anzuordnen. Die Gemeinde hatte im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens zudem ein fachgutachterliches Konzept eingeholt, das belegte, dass entsprechende Schutzmaßnahmen wie Netze und Zäune einen ausreichenden Schutz der künftigen Bebauung (einschließlich Kita-Nutzung) gewährleisten würden.

 

Damit war von vornherein sichergestellt, dass keine relevanten Gefahren für die neue Nutzung bestehen – und dass der Betreiber der Golfanlage sich seinerseits anpassen muss.

 

Besonders interessant ist, dass das Gericht auch immissionsschutzrechtliche Argumente des Golfplatzbetreibers zurückwies. Der Überschlag von Golfbällen – so das OVG – stelle keine „Immission“ im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes dar.

§ 3 Abs.2 BImSchG Begriffsbestimmungen

Immissionen im Sinne dieses Gesetzes sind auf Menschen, Wild- und Nutztiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre, das Klima sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen.

Golfbälle sind weder Lärm noch Strahlung – auch wenn sie manchmal beides verursachen. Der Ballflug sei jedenfalls nicht immissionsschutzrechtlich relevant, sodass § 50 BImSchG keine Anwendung finde.

§ 50 S.1 BImSchG Planung

Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen im Sinne des Artikels 3 Nummer 13 der Richtlinie 2012/18/EU in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete, insbesondere öffentlich genutzte Gebiete, wichtige Verkehrswege, Freizeitgebiete und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete und öffentlich genutzte Gebäude, so weit wie möglich vermieden werden. 

Das Ergebnis:

Die Gemeinde darf das Nachbargrundstück als Gemeinbedarfsfläche ausweisen. Die Interessen des Golfplatzbetreibers, seine Spielbahn ohne bauliche Veränderungen weiter nutzen zu können, treten zurück. Ein Anspruch auf „freies Überspielen“ des Nachbargrundstücks besteht nicht – rechtlich betrachtet, liegt das Spiel nun außerhalb der Begrenzung.

Golfbälle gelten nicht als Immission, auch wenn sie manchmal einschlagen wie ein Lärmgeschütz.

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.