
#1 Gehört er dir oder mir? Was du über gefundene Golfbälle
wissen solltest
Die Frage:
Wenn ein Ball ins Aus fliegt, verloren geht oder einfach verlassen in der Botanik liegt – darf ich ihn dann mitnehmen?
Gehört er mir, sobald ich ihn aufhebe? Oder klaue ich da im Zweifel fremdes Eigentum? Anders herum gefragt, verliere ich das Eigentum an meinem Golfball, wenn ich ihn versehentlich ins Aus schlage?
Der Fall:
Max ist Hobbygolfer mit großem Ehrgeiz und – sagen wir – überschaubarer Präzision. Am dritten Loch seines Heimatplatzes zieht er beherzt durch und schickt seinen neuen, sündhaft teuren Pro V1 direkt ins Aus. Der Ball landet außerhalb des Fairways, im Gebüsch entlang des Spazierwegs. Am nächsten Morgen schlendere ich gemütlich am Rand des Roughs entlang auf der Suche nach meinem eigenen Ball, der sich abseits des Fairways befindet. Und siehe da, neben meinem eigenen entdecke ich Max Top-Markenball ganz friedlich unter einem Busch liegen. Kein Spieler weit und breit. Ich zögere? Mitnehmen oder lieber liegenlassen?
Juristische Einschätzung:
a) Eigentum an Sachen:
Ein Golfball ist eine bewegliche Sache gemäß:
§ 90 BGB Sachen
Sachen im Sinne des Gesetzes sind nur körperliche Gegenstände.
§ 903 S.1 BGB Befugnisse des Eigentümers
Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.
§ 959 BGB Herrenlose Sachen
Eine bewegliche Sache wird herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt.
Rein rechtlich ist ein Golfball, auch wenn er verloren oder verlassen wurde, erstmal Eigentum der Person, die ihn gespielt hat.
Eigentum geht grundsätzlich nur durch Übergabe (§ 929 BGB) oder durch ausdrückliche Aufgabe auf eine andere Person über. Solange also niemand sagt: "Den Ball schenke ich der Allgemeinheit", bleibt er Eigentum des ursprünglichen Spielers.
b) Aufgabe des Eigentums – Herrenlosigkeit:
Damit der Ball herrenlos wird, müsste Max aktiv sein Eigentum aufgeben:
Ein einfacher Fehlschlag ins Aus – selbst wenn Max den Ball nicht wiederholt – bedeutet in der Regel noch keine Aufgabeabsicht. Der Verlust war nicht freiwillig. Es fehlt am subjektiven Moment, also am Willen, sich des Eigentums zu entledigen.
Für die Herrenlosigkeit ist es erforderlich, dass der Eigentümer eindeutig und nachweisbar auf Eigentum verzichtet (sog. Dereliktion).
c) Fundrecht:
Wenn ich diesen Ball nun finde, bin ich juristisch gesehen Finderin. Dann greift § 965 BGB:
§ 965 Abs. 1, Abs.2 S.1 BGB Anzeigepflicht des Finders
(1) Wer eine verlorene Sache findet und an sich nimmt, hat dem Verlierer oder dem Eigentümer oder einem sonstigen Empfangsberechtigten unverzüglich Anzeige zu machen.
(2) Kennt der Finder die Empfangsberechtigten nicht oder ist ihm ihr Aufenthalt unbekannt, so hat er den Fund und die Umstände, welche für die Ermittlung der Empfangsberechtigten erheblich sein können, unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen.
Theoretisch bin ich also verpflichtet, den Fund des Golfballs anzuzeigen. Klingt absurd? Ist es irgendwie auch, aber so steht es im Gesetz.
Eine Ausnahme gibt es jedoch für geringwertige Sachen bis zu einer Wertgrenze von 10 €. In diesen Fällen ist eine Anzeige im Fundbüro nicht erforderlich:
§ 965 Abs.2 S.2 BGB Anzeigepflicht des Finders:
(…) Ist die Sache nicht mehr als zehn Euro wert, so bedarf es der Anzeige nicht.
Es dauert grundsätzlich 6 Monate, bis ich als Finderin das Eigentum an einer gefundenen Sache erwerben kann. Allerdings gilt auch hier eine Ausnahme für geringwertige Sachen, vgl. § 973 BGB:
§ 973 BGB Eigentumserwerb des Finders:
(1) Mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde erwirbt der Finder das Eigentum an der Sache, es sei denn, dass vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht bei der zuständigen Behörde angemeldet hat. Mit dem Erwerb des Eigentums erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache.
(2) Ist die Sache nicht mehr als zehn Euro wert, so beginnt die sechsmonatige Frist mit dem Fund. Der Finder erwirbt das Eigentum nicht, wenn er den Fund auf Nachfrage verheimlicht. Die Anmeldung eines Rechts bei der zuständigen Behörde steht dem Erwerb des Eigentums nicht entgegen.
Das bedeutet: Ich muss meinen Fund zwar nicht anzeigen. Behalten darf ich den gefundenen Golfball jedoch nur, wenn er aufgegeben wurde. Ansonsten dauert es 6 Monate, bis das Eigentum auf mich übergeht - es sei denn, der tatsächliche Eigentümer meldet sich zuvor.
d) Diebstahl / Unterschlagung
Wieder anders sieht’s aus, wenn ich den Ball jemandem direkt vor der Nase wegschnappe, während die Person noch sucht. Dann riskiere ich nicht nur böse Blicke, sondern streng genommen sogar eine Wegnahme bzw. Zueignung fremden Eigentums, also potenziell eine kleine Form von Diebstahl (§ 242 StGB) bzw. Unterschlagung (§ 246 StGB) – auch wenn das in der Realität wohl niemand zur Anzeige bringen wird.
§ 242 Abs.1 StGB Diebstahl
Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 246 Abs. 1 StGB Unterschlagung:
Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Das Ergebnis:
Ein gefundener Golfball gehört nicht automatisch dem Finder.
Ob ich den Ball an mich nehmen darf oder nicht, hängt im Wesentlichen davon ab, ob der ursprüngliche Spieler erkennbar auf sein Eigentum verzichtet hat und der Ball damit "herrenlos" geworden ist. Nur dann kann ich durch das Aufnehmen des Balls unmittelbar Eigentümerin werden.
In vielen Fällen darfst du den Ball daher behalten. Und wer weiß – vielleicht ist es genau der Ball, der dir später dein erstes Birdie beschert. Oder wenigstens einen sauberen Abschlag. Ist ja auch schon was.
Was heißt das jetzt für mich (und dich)?
Wenn du einen Ball findest:
- Nicht sofort zugreifen.
- Schau dich um – sucht noch jemand?
- Liegt der Ball sichtbar länger dort?
- Hat er eine persönliche Markierung (Herzchen, Smiley, Initialen)?
- Ist es ein Bereich, wo man einfach nicht spielt?
Wenn du all diese Fragen ruhig mit Nein beantworten kannst, dann heb ihn ruhig auf und freu dich.
Aber: Bitte keine Ballsammelorgien mitten auf dem Platz oder das systematische Abgrasen fremder Flights. Golf lebt von Respekt – nicht nur vor dem Spiel, sondern auch voreinander.