
Episode 5: Golfcart trifft PKW - Wer zahlt, wenn's kracht?
Die Frage:
Haftet der Fahrer eines Golfcarts für Schäden, wenn es zu einer Kollision mit einem Pkw kommt, und inwieweit spielt die Betriebsgefahr des Golfcarts eine Rolle?
Der Fall:
An einem sonnigen Vormittag im August will Herr G. mit seinem Golfcart die Straße überqueren, um zum nächsten Abschlag zu gelangen. Frau F., fährt zur gleichen Zeit mit dem Pkw auf derselben Straße. An einer schwer einsehbaren Stelle kommt es plötzlich zur Kollision zwischen dem Golfcart und dem Pkw. Der Schaden ist beträchtlich, und beide Seiten fordern Schadensersatz.
Juristische Einschätzung:
Wie dir sicherlich bereits bekannt ist, haftet gemäß § 823 Abs. 1 BGB, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen verletzt.
§ 823 Abs. 1 BGB Schadensersatzpflicht
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Im Straßenverkehr gelten jedoch Besonderheiten. Grundsätzlich haftet ein Fahrzeughalter nämlich nach § 7 StVG auch ohne eigenes Verschulden:
§ 7 Abs.1, Abs.2 StVG Haftung des Halters
(1) Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.
Es kommt dann allein darauf an, dass beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Schaden eingetreten ist.
Für bestimmte Fahrzeuge regelt das StVG jedoch Ausnahmen von dieser verschuldensunabhängigen Haftung. Eine Ausnahme besteht insbesondere für Fahrzeuge, die eine Geschwindigkeit von nicht mehr als 20 km/h erreichen, § 8 Nr.1 StVG:
§ 8 StVG Ausnahmen
Die Vorschriften des § 7 gelten nicht,
1. wenn der Unfall durch ein Kraftfahrzeug verursacht wurde, das auf ebener Bahn mit keiner höheren Geschwindigkeit als 20 Kilometer in der Stunde fahren kann, (…)
Darunter fallen auch E‑Rollstühle und eben Golfcarts. Das LG Bonn (Urteil vom 23.08.2019 – 1 O 483/18) stellte bezüglich der Betriebsgefahr fest, dass Golfcarts mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h nicht unter die Gefährdungshaftung des StVG fallen, da sie keine erhebliche Betriebsgefahr darstellen. Das Gericht ging hierbei davon aus, dass das Golfcart eher mit einem Fahrrad vergleichbar sei.
"Denn wie bei einem Fahrrad kommt auch einem Golfcart keine Betriebsgefahr im Sinne des StVG zu. Stattdessen haftet der Fahrradfahrer, wie auch ein Golfcartfahrer, nur verschuldensabhängig und nicht verschuldensunabhängig. Denn die Gefährdungshaftungstatbestände des StVG finden ihre Begründung darin, dass jedem von diesem Gesetz erfassten Fahrzeug eine Betriebsgefahr zukommt, diese also alleine aufgrund ihrer Inbetriebnahme ein besonderes Gefährdungspotential ausstrahlen […] § 8 StVG nennt jedoch Ausnahmen für Fahrzeuge, denen gerade keine Betriebsgefahr im Sinne des StVG innewohnt und deren Betrieb deswegen gerade nicht verschuldensunabhängig zur Haftung führen soll. So hat schon das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden, dass elektrische Krankenfahrstühle keine Betriebsgefahr im Sinne des StVG besitzen, weil sie keine Geschwindigkeit von über 20 Stundenkilometer erreichen können und aus diesem Grunde gemäß § 8 Nr. 1 StVG von einer Gefährdungshaftung ausgenommen sind. Nichts anderes muss für Golfcarts des streitgegenständlichen Modells gelten. Auch das streitgegenständliche Golfcart kann nämlich keine Geschwindigkeit von über 20 Stundenkilometern erreichen.“
Daher gilt: Keine verschuldensunabhängige Haftung wegen Betriebsgefahr.
Also zurück zur Haftung nach § 823 Abs.1 BGB und der Frage nach Pflichtverletzung und Verschulden. Das Gericht stellte fest, dass der Golfcart-Fahrer beim Einfahren auf die Straße gegen § 10 StVO verstoßen hatte, da er nicht die notwendige Sorgfalt walten ließ, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen.
§ 10 S.1 StVO Einfahren und Anfahren
Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.
Kommt es im Anschluss an einen Auffahrvorgang dennoch zu einem Unfall, so wird vermutet, dass derjenige, der von einem Grundstück abgefahren und auf eine Straße aufgefahren ist, den Unfall fahrlässig verursacht hat.
Allerdings wurde auch der Fahrerin des Pkw ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB angelastet.
§ 254 Abs. 1 S.1 BGB Mitverschulden:
Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
Grundlage für die Beurteilung des Mitverschuldens ist Folgende:
„Für die Frage der Unfallverursachung und des Mitverschuldens kommt es bei einem Unfall zwischen Kraftfahrzeugen, an dem ein Pkw beteiligt ist, sowohl auf dessen Betriebsgefahr, als auch auf die Sorgfaltspflichtverletzungen des Fahrers an.“
Nach den Feststellungen des Gerichts hatte sie die Möglichkeit, das Golfcart rechtzeitig zu erkennen und den Unfall durch eine rechtzeitige Reaktion zu vermeiden. Dies führte nach Ansicht des Gerichts zu einer Kürzung des Schadensersatzanspruchs um
50 %.
Das Ergebnis:
Das Gericht entschied auf eine hälftige Haftung: Der Golfcart-Fahrer haftet zu 50 % für den entstandenen Schaden, ebenso wie die Pkw-Fahrerin. Die Betriebsgefahr des Golfcarts wurde nicht berücksichtigt, da sie unter die Ausnahmeregelung des § 8 Nr. 1 StVG fällt.